Politik soll den wahren Bedürfnissen der Betriebe Rechnung tragen
Von Anfang an stand SISTRI, das System zur Rückverfolgbarkeit von Abfällen, im Mittelpunkt der Kritik. Doch damit nicht genug. SISTRI steht auch im Mittelpunkt des jüngsten Korruptionsskandals, der 21 Verhaftungen zur Folge hatte. Doch offensichtlich hat all das nicht ausgereicht, um das System, dessen Start immer wieder aufgeschoben wurde, endgültig zu stoppen. Im Gegenteil.
Laut Dekret, das noch die Unterschrift des bis vor kurzem amtierenden Umweltministers Corrado Clini trägt und im Gesetzesanzeiger vom 19. April 2013 veröffentlich wurde, soll SISTRI nun doch operativ werden und zwar ab 1. Oktober 2013 für Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern und ab 3. März 2014 für alle anderen. „Das System ist zu komplex, technisch nicht ausgereift und zu kostenintensiv und bringt damit vor allem für die vielen Klein- und Mittelbetriebe, die bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht haben, große Probleme mit sich“, sagen Hansi Pichler und Ivan Bozzi, die beiden Präsidenten der Dachverbände der gewerblichen Wirtschaft SWR und USEB. Beide fordern die endgültige Abschaffung des Systems. „Es ist für uns unverständlich wieso die Politik nicht die wahren Bedürfnisse der Betriebe, welche Millionen von Arbeitsplätze garantieren, erkennt.
Unverständlich ist aber auch, dass der aufgedeckte Korruptionsskandal rund um die Auftragsvergabe an die Betreiberfirma Selex für die Entwicklung von SISTRI, vom Umweltminister derart ignoriert wurde und dieser per Dekret kurzerhand die neuen Starttermine des Systems festgelegt hat“, sagen Pichler und Bozzi. Den Skandal ans Licht gebracht hatten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Neapel, die vor kurzem mit 21 Festnahmen und Sicherstellungen von insgesamt mehr als 10 Millionen Euro an Vermögenswerten abgeschlossen wurden. Es geht um Bestechungsgelder, falsche Rechnungslegung und Gelder auf Auslandskonten bei einem Auftragswert der auf mittlerweile 400 Millionen Euro für die ersten fünf Jahre geschätzt wird.
Für SWR-Präsident Pichler und USEB-Präsident Bozzi ist es höchste Zeit SISTRI, das von Beginn an falsch gestartet ist, zu stoppen und Schadensbegrenzung zu üben.
Zur Erinnerung:
Aufgrund der Müllprobleme und -skandale in der Region Kampanien wurde dort ein eigenes System (SITRA) eingeführt. Den Auftrag für die Erstellung und Einführung dieses Systems erhielt die Firma Selex. Irgendjemand hatte dann die zündende Idee, das ursprünglich für Kampanien erarbeitete System auf ganz Italien auszudehnen. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. SISTRI wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion per Ministerialdekret der damaligen Umweltministerin Stefania Prestigiacomo vom 17. Dezember 2009 eingeführt. Das System wurde unter dem Deckmantel des „segreto di stato“ eingeführt um jede öffentliche Ausschreibung zu verhindern. Nachdem SITRA zu SISTRI wurde, hat sich das Auftragsvolumen für die Betreiberfirma Selex über Nacht vervielfacht. Konkurrierenden Software- und Betreiberfirmen haben Rekurse eingereicht.