Wirtschaftsverbände gegen Tourismusabgabe und Kurtaxe
Die aktuelle wirtschaftliche Situation macht dringend positive Signale und Maßnahmen notwendig und nicht die Einführung neuer verpflichtender Abgaben auf Landesebene. Dies machten die Wirtschaftsverbände bei ihrer Pressekonferenz in Hinblick auf die geplante Verabschiedung des Landesgesetzentwurfs Nr. 117/11 „Finanzierung des Tourismus“ deutlich und erteilten neuen lokalen Steuern eine Absage.
Die Monti-Regierung hat auf Grund der internationalen Finanzkrise, der enormen Verschuldung des italienischen Staates und der politischen Vertrauenskrise eine ganze Reihe von Notmaßnahmen ergriffen um die Konsolidierung des Staatshaushalts einzuleiten. Der allergrößte Teil dieser Maßnahmen besteht aus Steuererhöhungen für Bürger und Unternehmen. Die Handelskammer Bozen rechnet insgesamt mit einer zusätzlichen Steuerbelastung in Südtirol von mindestens 194,1 Millionen Euro. Hinzu kommt noch die Einführung der IMU, die eine große Mehrbelastung mit sich bringen wird. Die Steuerbeträge werden sich für die Betriebe im Vergleich zur ICI verdoppeln, zum Teil verdreifachen. So muss ein Restaurant mit 290 m² anstatt wie bisher 899 Euro ICI in Zukunft 2.761 Euro IMU zahlen. Ein Hotelbetrieb mit 46 Betten wird statt den bisherigen 10.041 Euro mit 22.894 Euro zur Kasse gebeten. Ein traditionelles Geschäft mit 133 m² zahlt statt 535 Euro in Zukunft 1.495 Euro an Gemeindeimmobiliensteuer und für die Halle eines Handwerksbetriebes mit 354 m² werden anstatt der bisherigen 1.509 Euro in Zukunft 2.921 Euro an Steuern fällig. „Die steuerlichen Mehrbelastungen und die gestiegenen Produktionskosten, bedingt vor allem durch immer weiter steigenden Preise für Energie und Treibstoffe, vermindern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zunehmend. Große Sorgen bereiten den Unternehmern zudem die mit der Finanzkrise verbundenen Erscheinungen wie Liquiditätsprobleme, die sinkende Zahlungsmoral und die Schwierigkeiten im Inkasso. Hinzu kommen die unverändert hohen bürokratischen Auflagen und die damit einhergehenden Kosten“, beschreiben Christof Oberrauch und Ivan Bozzi, Präsidenten der Dachverbände der gewerblichen Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftsring und USEB, die schwierige Situation.
Kompromissvorschlag der keiner ist – aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Die Zusatzbelastungen kommen zudem in einer auch für Südtirol konjunkturell schwierigen Zeit. So zeigt das kürzlich vorgestellte Wirtschaftsbarometer des WIFO deutlich, dass die Aussichten für die Südtiroler Wirtschaft im Jahr 2012 sehr verhalten sind. „In einer solchen Situation zusätzliche verpflichtende Abgaben auf lokaler Ebene einzuführen, halten wir für den absolut falschen Weg. Nur wenn Südtirols Wirtschaft weiterhin leistungsfähig ist und Gewinne schreibt, können Arbeitsplätze geschaffen, Löhne und Steuern bezahlt werden“, sagen Oberrauch und Bozzi. Aus diesem Grund kann die Wirtschaft auch dem sogenannten Kompromissvorschlag, nämlich den Aufschub des Inkrafttretens von Tourismusabgabe und Kurtaxe auf 2014, nichts abgewinnen. „Das Problem wird damit nur verschoben, an der Substanz ändert sich dadurch aber nichts: Das Land geht dann trotzdem denselben Weg wie der Staat, der besteuert, wenn irgendwo Geld fehlt. Um die Tourismuswerbung auf solidere Beine zu stellen und die Tätigkeit der Tourismusvereine zu sichern müssen andere Wege gegangen werden“, so die Präsidenten der beiden Dachverbände.
Fundamentale Strukturanalyse und Strukturreform notwendig
Vorschläge dazu liegen bereits auf dem Tisch. So haben der HGV und der Landesverband der Tourismusorganisationen Südtirols (LTS) bereits im Jahr 2009 Modelle zur gesicherten Grundfinanzierung der Tourismusvereine ausgearbeitet. Diese Modelle basieren auf dem Grundgedanken, dass die Tourismusvereine auch aufgrund ihrer Dienste für die einheimische Bevölkerung eine Finanzierung über den Landeshaushalt und durch die Gemeinden erhalten sollen und zwar für eine Mindestbürostruktur sowie eine Mindestpersonalausstattung, verpflichtend gekoppelt an die Erfüllung von Mindestaufgaben. Alle anderen Leistungen eines Tourismusvereins müssen hingegen getreu dem Leistungsprinzip durch freiwillige Beiträge bezahlt werden. Diese Zielsetzung der Grundsicherung und der dafür notwendige Finanzbedarf – wofür es im Übrigen weder eine Kurtaxe noch eine Tourismusabgabe braucht – muss vom zweiten Ziel, nämlich der besseren Ausstattung des Marketingbudgets für SMG und Tourismusverbände abgegrenzt werden. „Wenn ein Unternehmer mehr ins Marketing investieren will, ist das nur möglich, wenn irgendwo anders die notwendigen Einsparungen erfolgen und Synergieeffekt genutzt werden“, so Oberrauch und Bozzi. Übertragen auf die Tourismusverbände bedeutet das, dass eine fundamentale Strukturanalyse und Strukturreform notwendig ist. So ist die Anzahl von 11 Tourismusverbänden unverhältnismäßig hoch. Nicht nur, dass damit erhebliche Struktur- und Personalkosten verbunden sind, angesichts dieser Vielzahl regionaler Marken stellt sich auch die Frage, ob diese überhaupt tragfähig sind. Denkbar wäre eine Reduzierung auf bis zu 5 Tourismusverbände. Die frei werdenden Beträge können in der Folge für eine Verstärkung des regionalen Marketings verwendet werden. Was die finanzielle Ausstattung der SMG betrifft, „so hat diese die Aufgabe die Destination Südtirol und die der Markenphilosophie entsprechenden Südtiroler Produkte zu bewerben und hat somit einen klaren Auftrag im öffentlichen Interesse. Es ist daher legitim, dass die SMG weiterhin durch öffentliche Mittel finanziert wird und diese verstärkt werden. Die Mittel dafür können gefunden werden. Vorrausetzung ist eine ‚spending review‘ aller Kapitel des Landeshaushalts“, so die beiden Präsidenten abschließend.