Die Dolomiten – Tagblatt der Südtiroler hat Präsident Hannes Mussak und Geschäftsführer Andreas Mair zum Gespräch geladen. Im Mittelpunkt standen die Corona-Hilfsmaßnahmen und ein Blick in die Zukunft. Hier das Interview von Arnold Sorg im Wortlaut.
„Dolomiten: Herr Mussak, die Politik hat den Südtiroler Unternehmen schnelle Hilfe zur Bewältigung der Coronakrise versprochen – die Hilfe war teilweise dann aber gar nicht so schnell bzw. für die großen Unternehmen zu nicht sonderlich interessanten Konditionen. Wie groß ist der Ärger bei den Unternehmen?
Hannes Mussak: Die ersten gesetzten Maßnahmen, um den Betrieben Liquidität bereitzustellen, gingen in die richtige Richtung. Der Lockdown dauerte allerdings lange an und viele Unternehmen hatten in den vergangenen Monaten nahezu einen Totalausfall bei den Einnahmen. Die Fixkosten bleiben. Das sorgt auch für Ärger bei einigen Unternehmern, weil sie eben nicht durch unternehmerische Fehleinschätzungen in diese Lage gekommen sind, sondern unverschuldet.
„D“: Viele Unternehmer beklagten in den vergangenen Wochen auch den bürokratischen Aufwand bei den Ansuchen um die Hilfskredite, sodass teilweise nicht alle potenziellen Antragssteller angesucht haben. Muss das Abkommen zwischen Land und Banken erneuert bzw. verbessert werden?
Mussak: Der kontinuierliche Austausch mit den Banken und Garantiegenossenschaften ist uns wichtig. Deswegen haben wir auch einen Arbeitstisch eingerichtet. Wir wollen demnächst mit der Landesregierung und gemeinsam mit der Handelskammer Bozen erneut ins Gespräch treten und diesbezüglich über weitere Punkte verhandeln.
„D“: Das Abkommen zwischen Land und Banken muss also neu verhandelt werden bzw. es soll künftig für die Unternehmen bessere Konditionen geben?
Mussak: Ja. Unser Ziel ist es über die Konditionen zu diskutieren, um aus den Erfahrungen der ersten Wochen zu lernen und Optimierungen vorzunehmen.
„D“: Die Coronakrise hat gezeigt, dass viele Unternehmen in Südtirol bereits nach einigen Wochen Schließung vor dem finanziellen Ende stehen. Was sagt das aus über die Südtiroler Betriebe?
Mussak: Wenn ein Betrieb nach 2 Wochen nahezu zahlungsunfähig ist, dann bin ich überzeugt, dass daran nicht nur die Coronakrise allein schuld sein kann. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass manche jetzt nach diesen Monaten auch deswegen unter Liquiditätsproblemen leiden, weil etwa die Kunden vielfach nicht mehr in der Lage sind, die Rechnungen zu begleichen. Dies kommt dann neben der Rückzahlung von Krediten und den Fixkosten mit hinzu. Bei einigen Unternehmen kann das schon zu erheblichen Schwierigkeiten führen.
„D“: Herr Mair, viele Unternehmer wünschen sich, dass alles so wird, wie es vor der Coronakrise war. Ist ein „Weiter-wie-bisher“ überhaupt realistisch?
Andreas Mair: Die Krise zwingt uns auch, dass wir uns neu mit unserem Land auseinandersetzen und einige Bereiche neu denken. Ziel und Ansporn muss es deshalb sein, Südtirol gemeinsam „Besser-als-vorher“ zu machen.
„D“: Und wie geht das?
Mair: Wir sind derzeit dabei, die einzelnen Bereiche mit den Verbänden herauszuarbeiten. Die Vorschläge zielen zum einen darauf ab, den Wirtschaftskreislauf wieder in Schwung zu bringen, Beschäftigung zu sichern und Südtirol wieder wettbewerbsfähig zu machen. Da braucht es ein entschlossenes Vorgehen von allen gemeinsam. Deshalb müssen wir auch unliebsame Themen angehen und jetzt mutig handeln. Das Ausmaß an Bürokratie hat beispielsweise auch einen starken Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit. Seit 1993 gibt es das Landesgesetz zur Regelung von Verwaltungsverfahren, wonach die öffentliche Verwaltung für Sachverhalte keine Daten abfragen darf, die sie schon hat. Ebenso steht drinnen, dass die öffentliche Hand auch eine Eigenerklärung akzeptieren muss. Die Krise hat uns gezeigt, dass dies in der Praxis auch funktioniert. Würde man allein diese zwei Punkte konsequent anwenden, so würde dies Vieles extrem leichter machen. Die Digitalisierung kann hier zudem mithelfen Dienste und Abläufe effizienter zu gestalten. Dies ist ein weiteres Mega-Thema.
„D“: Die Coronakrise hat gezwungenermaßen zu einem starken Digitalisierungsschub geführt. Befürchten Sie, dass diese Entwicklung wieder verpuffen wird, sobald die Pandemie abflaut?
Mair: Das befürchte ich nicht. Viele haben in diesen Monaten auch die Vorteile der Digitalisierung kennengelernt. Meetings wurden auf Videokonferenzen verlegt. Es ist unsinnig, für eine einstündige Sitzung am Abend hunderte Kilometer zu fahren, obwohl es der digitale Weg auch tun würde. Ich bin mir sicher, die Betriebe integrieren diese Instrumente nun verstärkt in ihren Arbeitsalltag. Es hat sich zudem deutlich gezeigt, wie wichtig eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur ist. Das ist entscheidend für einen attraktiven Standort.
„D“: Stichwort Smart Working: Wird sich dieses Modell in Südtirol künftig durchsetzen?
Mair: Es wird stärker gefragt sein, auch im Zuge von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Letztendlich wird es aber die Mischung ausmachen. Es braucht auch den wirklichen Austausch innerhalb des Teams, in reellen Sitzungen. Keine Videokonferenz ersetzt auf Dauer zur Gänze den persönlichen Kontakt. Dasselbe ist, wenn es um Beratungen oder Dienstleistungen geht, wo ein persönlicher Kontakt nach wie vor sehr geschätzt wird und notwendig ist.
Interview: Arnold Sorg